Przewalski
Projekt: "Dem Urwildpferd auf der Spur"
PRZEWALSKI – DEM URWILDPFERD AUF DER SPUR
4. April 2022 – 8:00 Uhr
Mühsam schleppte ich meine Ausrüstung Richtung Auto. Das Gepäck hatte locker 8 kg Gewicht. Ich wollte ja nichts vergessen, die komplette Kameraausrüstung plus Gimbel und Stativ mussten mit. Im Nachhinein gesehen. Völliger Schwachsinn, aber ich wollte auf keinen Fall etwas zu Hause lassen und mich dann ärgern es nicht mitgenommen zu haben. Für den Fall der Fälle natürlich.
Um 8:15 Uhr ging es 220 km vom Waldviertel ins Burgenland. Ein tatsächlich schnelles Durchkommen der Wiener Stadtautobahn später, kam ich auch schon im Windradland aka Burgenland an. Kaum fährt man die A22 Richtung A4 Schwechat/ Parndorf ab, hat man das Gefühl in ein Meer aus Windräder zu gelangen. Bis zu den letzten Metern der See Landstraße stehen links und rechts Meterhohe Giganten mit Rotorblättern. Verzweifelt schaute ich auf das Navi, hat es mich jetzt falsch geleitet, ich fahre doch zu einem Nationalpark oder nicht?
Von Podersdorf am See aus, waren es noch 2 min laut Navi, dann war ich endlich am Infocenter Illmitz – Nationalpark Neusiedler See Seewinkel angekommen. Und die Windräder sind tatsächlich verschwunden. Yippie - 4 Stunden Fahrt hatte ich hinter mir und mein Po tat weh. Zusammen mit Melanie, (Vierundzweibeiner Fotografie) mit der ich mich abgesprochen hatte gingen wir zum Infopoint, um uns alle nötigen Infos einzuholen. Wir schluckten beide dann etwas schwer, wussten wir ja schon was uns erwartet, oder auch nicht. Die nette Informationsangestellte zeigte uns den Biologischen Stützpunkt in Illmitz auf der Karte, wo wir loslaufen sollen, um direkt auf die Przewalski Koppel zu stoßen. Beim Biologischem Stützpunkt angekommen, schnallten wir uns die Kameraausrüstung mit Sack und Pack um und gingen von dort in Richtung der Koppeln. Vielleicht völlig umsonst?
Fotoprojekt 2022
Ich wollte schon seit einer sehr langen Zeit eine eigene Fotoserie machen. Pferde sollten dabei der Mittelpunkt sein, ein absolutes TO-DO als Pferdefotografin! Aus Spaß ohne jegliche Erwartung gab ich in Google folgende Stichwörter ein: Wildpferde Österreich. Breit lächelnd am Laptop machte ich mir daneben noch 3 andere Fenster auf. Einige Zeit später widmete ich mich nochmal meiner eher lächerlichen Recherche. An erster Stelle war gleich der Nationalpark Neusiedlersee aufgepoppt. Warte, was? STOPP mal. Es gibt Wildpferde, in Österreich?
1 Mausklick und große Augen später wurde mir bewusst, es gibt Wildpferde in Österreich! Prähistorische Relikte? Besser gehts ja kaum! Die Recherchen waren sehr schnell erledigt. Es steht nicht sehr viel über die Przewalski Pferde auf der Website des Nationalparks (übrigens generell kaum). Ein schönes Foto, die Erwähnung, dass diese 8 km lang frei auf der Koppel des Flussufers laufen dürfen und Punkt, das wars. Mit den spärlichen Infos gab ich mich nicht so recht zufrieden, also schnappte ich mir das Telefon und rief dort an. Außerdem wollte ich mir die Erlaubnis holen sie fotografieren zu dürfen.
„Jap geht klar, nur….“ Da war er es NUR, ich hatte es befürchtet. „Wenn se Glück haben stehen sie am Zaun, wenn nicht brauchen se ein verdammt gutes Objektiv, weil rein beim Zaun dürfens nicht.“ Natürlich war ich dann kurz enttäuscht aber komplett gerechtfertigt, das sind geschützte Tiere! Gut war, dass ich mir ein Objektiv von Sigma angemietet habe, das 125 – 600 mm ein gigantisches Super-Zoom Objektiv. Für den Fall der Fälle, dass wir ein verdammt gutes Objektiv brauchen, war dass die optimale Lösung. Ich sah es schon kommen, bei meinem Glück stehen die Pferde NATÜRLICH NICHT am Zaun. Ein schlechtes Gewissen plagte mich außerdem gegenüber Melanie, hat ja nicht jeder so ein großes Objektiv zufällig zuhause rumliegen. Doch sie hat sich dennoch dafür entschieden mit mir zu kommen.
Przewalski Pferde – ein Urzeitrelikt?
Das Przewalski Pferd oder auch von den Mongolen Thaki (Bed. „heilig“) genannt wurde das erste Mal um etwa 900 v. Christus von einem tibetanischen Mönch in der Mongolei in seinen Aufzeichnungen beschrieben. Im 19 Jahrhundert fand dann der Russe Nikolai Michailowitsch Przewalski Skelettteile und Haut der Pferde an seinem Grenzposten von Russland zur Mongolei. Er brachte diese nach St. Petersburg in ein zoologisches Museum. Dort wurden sie dann in ihre Aufzeichnungen aufgenommen, beschrieben und die Pferde erhielten ihren Namen nach ihrem Entdecker Przewalski. (gesp. Pschewalski)
Lange wurde darüber diskutiert, ob unsere Hauspferde von den Przewalski Pferden abstammen und sie somit die Vorfahren unserer Hauspferde sind oder sie sich getrennt entwickelt haben. Laut Wissenschaft haben unsere Hauspferde und die Przewalski-Pferde jedoch eine unterschiedliche Genetik. Neueste Untersuchungen sind zu einem eindeutigen Ergebnis gekommen, denn sie galten lange als die letzten echten (Ur)Wildpferde der Erde, laut aktuellem Stand sind sie es jedoch nicht. Arne Ludwig aus dem Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung schreibt, dass die Przewalski Pferde sogar die erste Rasse war die jemals domestiziert wurde. Streng genommen also gibt es somit keine echten lebenden (Ur)Wildpferde mehr, nur aus diversen Gründen verwilderte Hauspferde.
Die kleinen Pferde mit einem Stockmaß von 120 cm bis 146 cm und einem Gewicht von 200 bis 300 kg ähneln optisch eher einem Pony als Großpferden. Mit ihrem sandig-gelben Fell, den unverwechselbaren teilweise sichtbaren Zebrastreifen an den Beinen, dem Aalstrich am Rücken und der ewig währenden Stehmähne sind sie unverkennbar. Sie wirken optisch gestaucht und haben einen enorm kurzen Hals. Die Przewalski Pferde gelten als sehr widerspenstig, teilweise sogar aggressiver als unsere Hauspferde und es heißt sie bleiben unzähmbar.
Eine knappe Geschichte
Die Geschichte der Przewalski Pferde ist damit aber noch nicht zu Ende. 1969 wurden diese Wildpferde in der Natur als ausgestorben erklärt. Nach dem 2. Weltkrieg überlebten nur 31 Pferde. Diese wurden in der Mongolei eingefangen und weltweit versucht die Rasse mithilfe eines Zuchtprogrammes am Leben zu erhalten. Auch der Zoo Schönbrunn beteiligte sich an dem Zuchtprogramm und lagerten die Pferde ins Burgenland in den Nationalpark Neusiedlersee Seewinkel aus, wo sie nun als Landschaftspfleger gehalten und weiter gezüchtet werden. Nach meinen Recherchen wurden vom Burgenland schon 4 Pferde in die Mongolei ausgewildert. Leider sind hierzu aber sehr wenig Informationen zu finden. Es hätte nicht viel gefehlt und diese wunderbare Rasse wäre für immer verschwunden.
4. April – 14:20 Uhr
Wir gingen also am Stützpunkt los. Eine 8 km lange Koppel. Es war auch enorm spannend, ob wir es überhaupt bis zur Hälfte schaffen würden mit 8 kg Ausrüstungsgewicht (meinerseits) und wahrscheinlich war ohnehin alles umsonst. Schon die ersten Meter habe ich mich abgeschleppt, mit dem Zeug auf meinem Rücken, fragte ich mich ernsthaft, wie zum Teufel ich das durchhalten soll. Wir gingen die ersten Kurven durch den Schilf Sand, der übrigens ziemlich tief ist. Eine Kurve links, eine rechts und schon war der Anfang des Zaunes in Sicht. Wir trauten unseren Augen nicht. Ich stupste Melanie an und fuchtelte mit meinen Fingern nach vorne. Schockstarre, Mucksmäuschenstill, keiner wagte einen Schritt nach vorne. Da standen sie, wirklich, direkt am Zaun! Fast 300 Meter vor den Pferden haben wir unsere Ausrüstung abgeladen und nur das „nötigste“ (Kamerabody und Objektiv) mitgenommen, um uns Stück für Stück an die Pferde ranzutasten. Wir wollten sie auf keinen Fall erschrecken. Die Pferde blieben ganz entspannt, sobald sie uns registrierten hoben sie kurz den Kopf und ließen die Pferdenasen aber sogleich wieder genüsslich ihrer Lieblingsbeschäftigung nachgehen, dem Fressen.
Wir saßen also direkt vor ihnen, dass Klicken und Surren der Kamera störte sie überhaupt nicht. Die jüngeren Pferde unter ihnen waren sogar so mutig, zum Draht zu kommen, um uns genauer zu beobachten. Ich war völlig von der Rolle und ich denke behaupten zu dürfen, dass es Melanie genauso erging. Wir schwebten auf der Fotografen Wolke 6000. Die Zeit flog nur so dahin und die Przewalski Pferde verbrachten mit uns unglaubliche 4 Stunden direkt am Zaun, sie ließen uns an ihrem Tag teilhaben und interagierten mit uns auf ihre Art und Weise. Das Gefühl der Akzeptanz war ein unglaubliches Geschenk, wofür wir sehr dankbar sind.
Im August 2022 versuchten Melanie und ich unser Glück erneut. 4 km liefen wir die Koppel in der senkenden Hitze von 35 Grad entlang und es war leider kein Pferd weit und breit zu sehen. Als wir enttäuscht wieder am Infopoint kamen, meinte die nette Dame, dass das leider der Normalfall ist. Als wir ihr vom April berichteten und ihr Fotos zeigten, war ihre Antwort darauf: „Leute an diesem Tag hattet ihr einen Lotto 6er!
International Photography Award
Das Ziel meines Fotoprojektes und der Reise ins Burgenland waren Internationale Photography Awards. Ich schickte die Fotoserie der Przewalski Pferde ins Rennen unter der Kategorie Wildlife & Nature. Zweimal wurde die Serie mit dem Titel „Honorable Mention“ ausgezeichnet. Als Fotografin mein ganzer Stolz. Gerahmt mit den Bildern die ich dafür einschickte, Zieren diese Urkunden nun unsere Wohnzimmerwand. Das war wirklich ein doppelter 6er im Lotto!